Von Gebieten des Guten zur Gleichgültigkeit
Was läuft schief? Naja, vieles läuft schief, nicht nur bei Muslimen, aber auch generell in unserer Gesellschaft. Ich meine aber uns selbst: Diejenigen, denen Allah das Wort Umma auf die Fahne geschrieben hat und über die er gesagt hat: »Ihr gebietet das Gute, verbietet das Schlechte und glaubt an Allah (…)« (3:110) Wir kommen nicht umhin, uns die Frage zu stellen, ob wir diesen dualistischen Imperativ, die Gemeinschaftlichkeit einerseits sowie das Gebieten des Guten und Verbieten des Schlechten andererseits überhaupt noch erfüllen?
Denn: Die täglichen Verpflichtungen, beruflich und privat, halten uns auf Trab: Wir hangeln uns von Termin zu Termin, verstecken unsere Köpfe hinter Bildschirmen oder Handy-Displays – sind ständig irgendwelchen Reizen oder Herausforderungen ausgesetzt. Hier ein Anruf von der Schule, dort eine Deadline, die wir einhalten müssen. Unsere Briefkästen bersten fast vor lauter Rechnungen, Mahnungen und Anträgen, die noch ausgefüllt werden müssen. „Bitte fügen Sie die angegebenen Unterlagen bei!“ Die sind jedoch längst in irgendeinem Aktenordner gelandet, einem von vielen, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben. Das ist der hauptsächliche Grund für unsere Passivität; Bürokratie ist das Mittel, um uns beschäftigt zu halten.
Eine Passivität, die vielleicht auch so gewollt ist, denn das Volk ist schon lange nicht mehr Träger der staatlichen Gewalt, eher sind wir Schäfchen geworden, denen suggeriert wird, sie könnten durch Wahlen partizipieren, während die politisch Verantwortlichen alles andere tun, als in unser aller Interesse zu handeln. Die Realität ist hart und grausam: Wir alle sind nur kleine Rädchen im kapitalistischen Uhrwerk, das nur einen Zweck verfolgt, nämlich Reiche noch reicher zu machen und uns beschäftigt zu halten, damit sich daran nichts ändert.
Tatsache ist, dass wir früher noch wesentlich aktiver waren, es boten sich aber hierfür auch genügend Möglichkeiten und Gelegenheiten: Das TDM (Treffen der deutschsprachigen Muslime) und andere Veranstaltungen hielten uns auf Trab; die Moschee in Freimann war unser zweites Zuhause. Was ist nur mit uns passiert, dass wir Angst davor haben, uns in der Öffentlichkeit zu zeigen? Überlesen wir das Feld kampflos rechtsextremistischen Parteien, anstatt Bürger einzuladen und ihnen den wahren Islam zu zeigen? Wissend, dass die oben genannte Aya so zu einer Floskel wird, weil wir sie einfach völlig ignorieren?
Es soll niemand sagen, dass wir nicht zum alten Zustand zurückkehren können, es liegt alleine an uns.